Automobilindustrie im Wandel:Warum es jetzt auf adaptive Strukturen ankommt

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Verfasst von Dr. Stephan Blankenburg, Automotive-Experte bei WAVESTONE

Stabilität und kontinuierliche Innovation sind Kernmerkmale der Automobilindustrie. Etablierte Produktentstehungsprozesse und eingespielte Zuliefererstrukturen ermöglichten lange den erfolgreichen Aufstieg der deutschen Hersteller. Doch nun sieht sich die Automobilindustrie im Wandel – und mit einer Vielzahl neuer Herausforderungen konfrontiert: dem Antriebswandel, einer umfassenden Digitalisierung mit einer erheblichen Zunahme der Bedeutung von Software, der Einhaltung von Klimazielen und nicht zuletzt neuen Mitbewerbern – seien es innovative Hersteller aus China oder die großen Plattform-Anbieter aus dem Silicon Valley. Die bisher bewährten iterativen Verbesserungen bestehender Prozesse führen in dieser Situation nicht mehr weiter. Gefordert ist vielmehr, bestehende Strukturen zu hinterfragen und die Flexibilität bei deren Veränderung massiv zu erhöhen.

Die gegenseitige Verstärkung der Herausforderungen 

Wie in vielen anderen Branchen müssen auch die Automobilhersteller eine hohe Anpassungsfähigkeit entwickeln – ganz besonders in den Dimensionen Mensch, Prozess und Technologie. Allerdings stehen sie vor einer Ausgangssituation, in der die einzelnen Herausforderungen sich gegenseitig verstärken: 

  1. Die heutigen Strukturen für Produktentwicklung und Produktpflege sind das Ergebnis kontinuierlicher Verbesserungen, die sich aus den Herausforderungen der Vergangenheit ergeben haben. In dieser Hinsicht sind sie heute zwar hocheffizient – aber typischerweise nicht anpassungsfähig genug, um den sich ändernden Rahmenbedingungen gerecht zu werden.  
  2. Die steigende Komplexität des Produkts „Automobil“ hat zu eigenen Regeln und Rahmenbedingungen geführt. Diese Komplexität steht einer schnellen und effizienten Anpassungsfähigkeit eher im Weg.  
  3. Die aus den bisherigen Produktentstehungsprozessen entwickelten iterativen Innovationszyklen haben starke Silos in den Organisationen geschaffen. Dies zementiert die bestehende Organisationsstruktur und hindert eine adaptive Bewältigung neuer Aufgabenstellungen.  
  4. Darüber hinaus brechen Softwarelösungen diese klassischen Silos auf. Bestehende Prozessgrenzen werden aufgebrochen. Neue Themen wie Over-the-air-Updates oder nachbuchbare Funktionen stellen die etablierten Prozesse und Strukturen vor Herausforderungen. 

Demgegenüber schafft nur eine adaptive Organisation die nötigen Voraussetzungen, um ein komplexes, softwaredefiniertes Produkt wie das Auto über seinen gesamten Lebenszyklus aktuell zu halten.  

In drei Schritten zur adaptiven Automotive-Organisation 

1. Mindset

Im Zentrum der Veränderung steht der Mensch – vom Management bis zum Mitarbeitenden. Um die benötigten adaptiven und agilen Strukturen aufzubauen, Silos aufzulösen und Produktentwicklungsprozesse neu zu denken, ist ein entsprechendes „Mindset“ die zentrale Voraussetzung. Auf allen Ebenen der Organisation muss das Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Veränderungen notwendig sind, und die Bereitschaft vorhanden sein, diese umzusetzen. Statt reiner Orientierung auf Kennzahlen, sollte sich das Denken stärker auf „Motivation“ ausrichten. Das Ziel ist dabei, die bestehenden Stärken soweit wie irgend möglich zu erhalten und gleichzeitig die Anpassungsfähigkeit der Organisation massiv zu erhöhen. 

So geht‘s: Die Verantwortung für Produktbestandteile, Prozesse und Funktionen muss Ende-zu-Ende organisiert werden. Die Organisation muss dafür Leitplanken definieren und gegebenenfalls Lösungsbaukästen zur Verfügung stellen. 

2. Prozesse  

Automotive-Hersteller sind es gewohnt, in komplexen Produktzusammenhängen zu denken und zu planen. Dieses Systemdenken bleibt auch in der von Digitalisierung bestimmten Zukunft richtig und wichtig – muss sich jedoch zu einem „Ende-zu-Ende-Denken“ weiterentwickeln. Prozesse müssen über ihre heute bestehenden Grenzen weiterentwickelt oder – wo nötig – komplett neu aufgesetzt werden. Dabei ist nicht zuletzt entscheidend, die Perspektive des Kunden einzunehmen.  

So geht‘s: Umdenken ist vom Produktentstehungsprozess bis zur Customer Journey gefragt. Die Zielsetzung muss dabei sein, Veränderungen schneller ins Produkt integrieren zu können und dem Kunden dabei die bestmögliche Erfahrung (Customer Experience) zu bieten.  

3. Strukturen 

Bei der Anpassung der Organisation für höhere Adaptivität darf deren Individualität nicht aus dem Blick geraten. Es gibt kein „One size fits all“-Konzept, um eine bestehende Organisationsstruktur adaptiv(er) zu machen. Sinnvollerweise startet diese Anpassung mit einer Bestands- und Bedarfsanalyse und entwickelt die künftige, skalierbare und adaptive Organisationsstruktur dann auf dieser Basis.  

So geht‘s: Gerade auch die Anpassung der Organisationsstruktur muss als iterativer Prozess organisiert werden. Der Anspruch, Adaptivität auf einen Schlag umfassend zu realisieren, ist zum Scheitern verurteilt. Verantwortliche sollten sich vielmehr auf die Grundelemente konzentrieren und aus deren Anpassung an die eingangs genannten neuen Herausforderungen und Rahmenbedingungen den Wandel zur adaptiven Organisation entwickeln. 

Automobilindustrie im Wandel: Adaptionsfähigkeit muss systemimmanent sein

In der Automotive-Organisation von morgen muss Adaption systemimmanent sein. Dies erfordert, die bestehende Struktur in den Dimensionen Mensch, Prozess und Technologie zu verändern und anpassungsfähiger zu machen. Wichtige Schritte, um sich aus der heute oft festgefahrenen Ausgangslage weiterzuentwickeln, setzen beim Mindset der Mitarbeitenden im Unternehmen, den Prozessen von Produktentwicklung bis Customer Journey sowie bei der Organisationsstruktur an. Diese müssen digitale Möglichkeiten skalierbar und adaptiv unterstützen können. 

Verfasst von:

Dr. Stephan Blankenburg 

Automotive-Experte bei WAVESTONE 

Dr. Stephan Blankenburg verantwortet den Bereich Automotive bei WAVESTONE. Vor seinem Wechsel zu WAVESTONE war er viele Jahre in den Bereichen Strategie-, Organisations- und Prozessberatung sowie für die Bereiche Business Development und Technologieentwicklung bei und für verschiedene Unternehmen tätig. Neben seinen Beratungsschwerpunkten aus den Bereichen Strategie, Cultural Change und Digitalisierung interessiert er sich für Themen wie Leadership und Future Technologies. 

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Dr. Stephan Blankenburg

Dr. Stephan Blankenburg 

12. Juni 2023|