Schutz kritischer Infrastrukturen:Cyber-Angriffe werden zunehmen

Kritische Infrastrukturen

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Verfasst von: Fabian Böhm, Experte für Cyber Security bei WAVESTONE & Falko Schönteich, Experte für Cyber Security bei WAVESTONE

Cyber-Attacken auf kritische Infrastrukturen nehmen zahlenmäßig zu und sie werden komplexer. Falko Schönteich und Fabian Böhm, Experten für Cyber Security von WAVESTONE, sind überzeugt: «Nachhaltige Sicherheit erreichen wir nur mit internationalen Standards und Normen.»

Nehmen Cyber-Attacken tatsächlich zu?

Als Spezialisten für Industrial Cyber Security beschäftigen Sie sich seit Jahren mit Cyber-Angriffen. Wie hat sich die Bedrohungslage in den letzten Jahren verändert?

Die Anzahl der Straftaten in diesem Bereich steigt seit langem kontinuierlich an. Wir kämpfen heute gegen teils sehr professionell agierende, global vernetzte kriminelle Organisationen. Viele der Attacken basieren auf Ransomware-Angriffen – also Lösegeldforderungen. Dabei verschlüsselt oder blockiert eingeschleuste Malware die Systeme der Opfer. Die Daten werden von den Hackern erst nach dem Erhalt des Lösegelds wieder freigegeben. Bekannte Fälle sind die Angriffe auf einen Telekommunikations-Anbieter in Portugal, auf einen amerikanischen Pipeline-Betreiber und auf die irische Gesundheitsbehörden.

In diesem Zusammenhang scheinen auch Phishing-E-Mails zugenommen zu haben.

Ja, Phishing nimmt ebenfalls zu und die Absender werden raffinierter. Mit einer sorgfältig gemachten Phishing-E-Mail haben kriminelle Organisationen gute Aussichten auf Erfolg. Sie gelangen schnell und einfach in fremde Systeme und zu Daten. Weil Industrie- und Office-Netzwerke heute oft nicht mehr klar voneinander getrennt sind, werden Phishing-E-Mails auch für Infrastruktureinrichtungen wie Kraftwerke oder Transportanbieter gefährlich. Eine neue Erscheinung im Bereich Phishing sind gefälschte Spendenaufrufe für Opfer aus der Ukraine.

Wie verhält es sich mit staatlich orchestrierten Angriffen?

Staatlich motivierte Cyber-Angriffe gibt es bereits länger, sie sind aber seit dem Angriff auf die Ukraine sprunghaft angestiegen. Der digitale Raum wird zunehmend Bestandteil kriegerischer Auseinandersetzungen, und Anschläge auf kritische Infrastruktureinrichtungen sind Teil der hybriden Kriegsführung. Dabei verwischen sich schon mal die Grenzen zwischen rein kriminellen und in staatlichem Interesse handelnden Tätern.

Was steckt hinter der Zunahme?

Abgesehen von politischen Faktoren – welche technischen Entwicklungen forcieren diesen Trend?

Ein Grund für den Anstieg ist die beschleunigte Digitalisierung – Anbieter in den Bereichen Verkehr, Energie und Gesundheit verlassen sich zunehmend auf digitale Technologien. Außerdem entwickelt sich die Technik heutzutage sehr schnell und den Menschen fällt es schwer, sich mit diesen richtig auseinanderzusetzen und mit den Entwicklungen Schritt zu halten.

Neue Angriffsmöglichkeiten sind auch durch die Corona-Pandemie entstanden. Heute haben Mitarbeitende nicht nur über das Homeoffice, sondern von überall auf der Welt mobilen Zugang zum Unternehmensnetzwerk. Auch die sozialen Medien haben ihren Anteil an der Entwicklung: Die damit verbundene Verlagerung unserer sozialen Tätigkeit ins Internet öffnet kriminellen Akteuren neue Chancen. Weitere Angriffsflächen verdanken wir dem fortschreitenden Ausbau von 5G und den Smart-Devices in unseren Haushalten. Immer mehr untereinander vernetzte Geräte sammeln immer mehr Informationen – oft mit sehr schwachen Sicherheitsvorkehrungen. Es wäre also theoretisch vorstellbar, dass ein Energieanbieter über eine Lampe angegriffen wird.

Wie gefährlich sind diese Entwicklungen?

Es gibt kaum noch digitale Produkte, die ausschließlich in einem Land hergestellt werden. Irgendeine Komponente wird praktisch immer aus einem Drittland dazu gekauft – und diese Komponente enthält wiederum Bestandteile aus einem Viertland. Hier die Übersicht zu behalten, ist fast nicht mehr möglich. Niemand weiß mehr so recht, wie und was in den einzelnen Produkten von welchem Anbieter verarbeitet wurde. Damit steigt die Verletzlichkeit einzelner Systeme und Staaten. Wir begeben uns in Abhängigkeiten, die sicherheitstechnologisch katastrophal sein können.

Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?

Cyber-Angriffe können in kurzer Zeit sehr viel Schaden anrichten. Für die Betreibenden kritischer Infrastrukturen sind sie schnell existenzbedrohend, zudem haben sie oft dramatische Auswirkungen auf die Bevölkerung. In der Welt von KI und Big Data brauchen sowohl staatliche als auch private Organisationen ihre Strategien für mehr Cyber-Security.

Wie schützt man sich am besten?

Ab welcher Größe sollten Betreiber kritischer Infrastrukturen entsprechende Maßnahmen treffen?

Malware kann sowohl in großen, als auch in kleinen Netzwerken massiven Schaden anrichten. Selbst über einen kleinen Lieferanten kann diese in eine wichtige Infrastruktureinrichtung eindringen. Angriffe über Lieferketten haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Über die Kontakte eines einzigen Zulieferers erhalten Angreifer Zugang zu Hunderten von anderen Unternehmen oder auch Regierungsstellen.

Ist Cyber-Security eine Aufgabe, die jede Organisation für sich alleine erfüllen muss?

Nein, die Sicherheit eines Produkts oder eines Systems muss bereits bei der Konzeption und Produktion prioritär behandelt werden. Dafür steht der Ausdruck Security by Default – also Sicherheit ab Werk. Eine nachhaltige Verbesserung erhoffe ich mir von länderübergreifenden Standards und Normen, mit denen wir die Sicherheit objektiv überprüfen können – vergleichbar mit ISO-Zertifizierungen im Industriebereich. Anfang des Jahres trat in der Europäischen Union ein Gesetzespaket in Kraft, das Organisationen in verschiedenen Branchen dazu verpflichtet, sich gegen Cyber-Angriffe zu schützen. Dabei wird explizit auch das Management in die Pflicht genommen. Die Umsetzung dieser Regelungen in der verlangten Frist ist für Unternehmen eine große Herausforderung.

Wie stark ist das Bewusstsein für Cyber Security bei den Betreibern kritischer Infrastrukturen bereits vorhanden?

Noch vor wenigen Jahren beschäftigten sich mit dieser Frage ausschließlich IT-Spezialistinnen und Spezialisten. Heute steht das Thema immerhin auf der Traktandenliste von Verwaltungsratssitzungen. Das Bedürfnis nach Sicherheit wäre eigentlich etwas ganz Natürliches – im IT-Bereich ging es etwas verloren. Aus unserer Sicht werden Cyber-Risiken noch immer zu wenig ernst genommen. Sowohl private als auch staatliche Organisationen könnten sich wesentlich besser vorbereiten. Die Sicherheit eines IT-Systems basiert immer auf dem schwächsten Glied der Kette: ein Ingenieur, der eine Phishing-E-Mail öffnet, ein Außendienstmitarbeiter, der seinen Laptop an einen öffentlichen Hotspot anschließt oder eine CEO, die ein zu schwaches Passwort nutzt. Malware kümmert sich nicht um Hierarchien und Abteilungen. Sie greift einfach da an, wo es am einfachsten ist. Vom technischen Standpunkt her sind Cyber-Angriffe oft äußerst komplex – dabei nutzen sie in einem ersten Schritt häufig ganz einfach menschliche Schwächen.

Fazit

Wir Menschen haben ein natürliches Sicherheitsbedürfnis. Bereits als Kind suchen wir bei unseren Eltern Schutz vor Unbekanntem und nicht Einschätzbarem. Erst mit Erfahrungen können wir uns eine eigene Einschätzung der Gefahrenlage machen und geeignete Maßnahmen treffen.

Bei WAVESTONE stellen wir den Menschen in den Mittelpunkt und betrachten im Bereich Industrial Cyber Security immer alle fünf Aspekte: Security, Safety, Reliability, Resilience und Privacy. Lernen Sie von unseren Erfahrungen aus dem privaten und öffentlichen Sektor und nutzen Sie unser Portfolio für eine ganzheitliche Sicherheitsbetrachtung.

Verfasst von

Fabian Böhm

Experte für Cyber Security bei WAVESTONE

Dr. Fabian Böhm ist Consultant für IT-Sicherheit und kann auf umfassendes und tiefgehendes Wissen aus dem Studium der Wirtschaftsinformatik und IT-Sicherheit sowie einer anschließenden Promotion im Bereich der Cyber Security zurückgreifen. Mit dieser Expertise und den Erfahrungen aus mehreren nationalen und internationalen Forschungsprojekten unterstützt er mittelständische und große Unternehmen in den Sektoren Industrie, Energie sowie Finanzwirtschaft in allen Bereichen der Cyber Security. Sein fachlicher Schwerpunkt liegt dabei vorwiegend auf der aktiven Verteidigung gegen und der Erkennung von Sicherheitsvorfällen.

Falko Schönteich

Experte für Cyber Security bei WAVESTONE

Dr. Falko Schönteich, ein international anerkannter Experte für IT-Sicherheit, bringt über 10 Jahre Erfahrung im Bereich Cyber Security mit. Nach einer langjährigen Laufbahn in Change-Management und ERP-Integrations-Projektleitung fokussierte er sich auf IT-Sicherheit. Mit bedeutenden Positionen, wie dem Chief Information Security Officer einer internationalen Konzerndivision, kombiniert er Praxiserfahrung mit einschlägigen Projektreferenzen und Zertifizierungen in offensiven und defensiven Sicherheitstechnologien. Sein Beratungsansatz, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor, stützt sich auf das NIST-Framework und ISO27k-Framework, insbesondere auf die Komponenten Protect, Detect & Respond. Zudem besitzt er Fachkenntnisse in risikobasierten Security-Assessments.

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Uta Niendorf

Fabian Böhm

Experte für Cyber Security bei WAVESTONE
fabian.boehm@wavestone.eu

Uta Niendorf

Falko Schönteich

Experte für Cyber Security bei WAVESTONE
falko.schoenteich@wavestone.eu